Humor
Voila. Das ist eine Bühne. Sie funktioniert, wie der Flaschenöffner eines Philosophen, der mit einer Flasche und ohne Öffner ratlos in der Pampa steht. Flaschenöffner und Bühne sind folglich postuliert.
Voila. Das ist eine Bühne. Sie funktioniert, wie der Flaschenöffner eines Philosophen, der mit einer Flasche und ohne Öffner ratlos in der Pampa steht. Flaschenöffner und Bühne sind folglich postuliert.
Warum sollte ich über die Katastrophe lachen? Ich lache nicht über hungernde Kinder, nicht über Malaria, habe nie über Fukushima gelacht. Warum sollte ich über die Pandemie lachen?
Bevor ich, bevor wir überhaupt in der Lage waren, diese, unsere Lage zu begreifen, wurde nicht nur eine Debatte über Literatur in solcher Lage angestoßen, sondern zugleich ein Genre erfunden, das wohl als erstes Genre (in der langen Genregeschichte), bereits während der Erfindung wieder Entfunden, vulgo beerdigt wurde: Das Coronatagebuch.
Ich suche ein Wort, das die Pandemie beschreibt. Es ist März, ich stehe vor einem Spielplatz. Die Schaukeln, die Rutsche, die Wippe sind mit Absperrband gesichert, sie dürfen nicht benutzt werden. Ich muss meinem Kind erklären, warum das so ist, warum es nicht schaukeln, rutschen, wippen darf. Ich muss meinem dreijährigen Kind die Pandemie erklären.
Ich bin nie auf den Balkon getreten und habe geklatscht. Da war Scham bei dem Gedanken, ich könnte der einzige Klatschende sein und, die größere Furcht, ich würde mich einreihen in das Klatschen Anderer. Müsste ich mich nicht, wenn ich konsequent sein wollte, vor die Supermarktkassen stellen, in die Arztpraxen, neben die Betten in den Pflegeheimen, müsste ich nicht dort klatschen?
Höchst ungern klatsche ich im Kollektiv, ich klatsche äußerst selten und wenn doch, dann ostentativ nachlässig. Ich klatsche mit Hingabe schlampig. Vielleicht ist es das kollektive Einverständnis, diese kurze überschäumende Gemeinschaft, die sich plötzlich kundtut und schnell wieder verschwindet. Oder genauer, ich misstraue diesem offenkundigen Gemeinsinn.
Ich kann nicht schlafen, der Schlaf der Gerechten ist mir fremd, seit ich die Pubertätsgrenze passierte, ich ziehe meine traurigen Schlüsse. Neuerdings höre ich die Nächte hindurch, höre stundenlang Gespräche über Gott und die Welt mit Gott und der Welt. Ich höre erstaunlich oft Menschen, die in ihrer Selbstvorstellung von ihrer ganz normalen Kindheit berichten.
Wir suchen Begriffe, anhand derer wir die Pandemie begreifen können. Wir entscheiden uns für Normalität. Nachts liege ich halbwach und denke mit geschlossenen Augen an Normalität. Ich denke an mein Badezimmerfenster. Schaue ich geradeaus, schaue ich auf ein Fenster gegenüber. Meist war es geschlossen, wenn Licht brannte, sah ich zwei Fremde.
Die Pandemie ist ein Blick zurück. Ich will verstehen, wie schrecklich die Vergangenheit war und wie das Schreckliche erträglich gemacht wurde, um damit meine Gegenwart erträglich zu machen, um mich mit Wissen zu trösten. Ich sitze fest und an mir wird gezerrt. Die Gegenwart ist Halt und Raserei in einem.
„Ich weiß“, schreibt Jan Philipp Reemstma, „wie sehr eine Uhr hilft. Man teilt den Tag ein und damit das Problem, vor dem man steht und das in nichts weiter besteht als in der bevorstehenden Zeit. Man portioniert. Von … bis …mache ich dies, dann das. Ohne Uhr treibt man wie in einem Meer von Zeit, ohne ein Ufer zu sehen.“