Zeit

Zeit

Die Pandemie ist ein Blick zurück. Ich will verstehen, wie schrecklich die Vergangenheit war und wie das Schreckliche erträglich gemacht wurde, um damit meine Gegenwart erträglich zu machen, um mich mit Wissen zu trösten. Ich sitze fest und an mir wird gezerrt. Die Gegenwart ist Halt und Raserei in einem.

Zeit

Zeit

„Ich weiß“, schreibt Jan Philipp Reemstma, „wie sehr eine Uhr hilft. Man teilt den Tag ein und damit das Problem, vor dem man steht und das in nichts weiter besteht als in der bevorstehenden Zeit. Man portioniert. Von … bis …mache ich dies, dann das. Ohne Uhr treibt man wie in einem Meer von Zeit, ohne ein Ufer zu sehen.“

Weihnachten

Weihnachten

Mein Großvater hatte sich unter dem Dach eine kleine Werkstatt eingerichtet: ein schmales, länglich angelegtes Kämmerchen mit schrägen, niedrigen Wänden, ein Fenster verlieh dem Kleinstadtwolkenhimmel eine kreisrunde Form. Jeden Zentimeter Platz hatte mein Großvater weise und praktisch genutzt.

Weihnachten

Weihnachten

Wir sind eine weihnachtstrunkene Familie. Nicht, dass wir in Dekor versinken. Es gibt einen Weihnachtsbaum, Kerzen und eine Tischdecke, der man ihr biblisches Tischdeckenalter erstaunlicherweise nicht ansieht. Es gibt zwei Weihnachts-Sampler, die wir seit fast 30 Jahren im Wechsel hören.

Widerspruch

Widerspruch

Es war der 03. Oktober 2020, der Tag der Wiedervereinigung oder der Tag, wie Kritiker*innen betonen, an dem die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bedingungslos beitrat. Manche sprechen von Annexion, feindlicher Übernahme, gar von Kolonialismus. Noch immer geht es um Deutungshoheit.

Widerspruch

Widerspruch

Die Pandemie ist voller Widersprüche und das auf unterschiedliche Weise. In der Pandemie ist der Widerspruch ein Gegensatzpaar, eine (logische) Unvereinbarkeit. Kindergärten werden geschlossen, Baumärkte bleiben offen. Masken schützen nicht, sagen anfangs Experten, widerrufen später ihre Äußerungen.

Die Toten

Die Toten

Ein Gespräch über Tatort. Ich sage, dass mich die Obduktionsszenen, die dortige Zurschaustellung der Leichen, das viele Sekunden andauernde bildliche Verharren auf den toten Körpern irritiere. Mein Gegenüber entgegnet, dass die beständige Präsentation der Toten mit Absicht geschehe. Sie sei willkommen und notwendig.

Die Toten

Die Toten

Sie sind Sache des Rechenschiebers, sie sind zu einer Vergleichsmasse geworden oder waren es immer. Wir rechnen die Toten dafür und dagegen, wir rechnen sie auf, wir rechnen mit ihnen ab. Der Tod wird zum Leistungsprinzip, eine Sache trauriger Rekorde, die die Toten mit Toten überbieten.

Maske

Maske

Eine Freundin erzählt von einer Odyssee. Sie wollte Stoff kaufen, um Masken zu nähen, sie musste weit fahren und als sie ankam, hatte sie das wichtigste Utensil vergessen: die Maske, ohne die man den Stoffladen nicht betreten durfte. Sie wühlte in ihrer Tasche. Sie fand etwas und hielt es sich schützend vor das Gesicht: Ein Slip.

Maske

Maske

Als ich die Pandemie erstmals ernst nehme, ist mein sofortiger Impuls der Kauf einer Mundnasenmaske. Ich weiß nichts vom Wirken des Virus, aber ich weiß, wie bisherige Virenausbrüche bebildert waren: Menschen tragen Masken. Eine Maske verspricht Schutz. Ist die Maske anfangs Ausnahme, wird ihr Fehlen nach Wochen das, was auffällt.